Die Gefahr der Berufsunfähigkeit ist für Selbstständige natürlich genau so ein Thema wie für abhängig Beschäftigte. Oft ist bei Selbstständigen sogar die Soziale Absicherung noch deutlich schlechter. Wir schauen uns daher in diesem Artikel das Thema Berufsunfähigkeitsversicherung mal genauer an.
Berufsunfähigkeitsversicherung – wozu eigentlich?
Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) sichert euch – wie der Name auch nahelegt – für den Fall ab, dass ihr aus gesundheitlichen Gründen euren Beruf nicht mehr ausüben könnt. Maßgeblich ist dabei eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit in eurem konkreten Beruf von mindestens 50%. Anders als die gesetzliche Erwerbsminderungsrente, die auf eure generelle Arbeitsfähigkeit abzielt (also, ob ihr noch irgendeinen Job für mindestens drei Stunden täglich machen könntet), sind Berufsunfähigkeitsversicherungen grundsätzlich an euren konkret versicherten Beruf, den ihr zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses ausgeübt habt, angelehnt.
Das bedeutet, dass ihr die gesetzliche Erwerbsminderungsrente nur bekommt, wenn ihr gar nicht mehr über drei Stunden arbeiten könnt, wohingegen es bei der BU reicht, dass ihr eure konkrete Tätigkeit nicht mehr ausüben könnt. Eine Ausnahme stellt die so genannte „abstrakte Verweisung“ dar. Habt ihr in eurer BU eine solche Klausel, bedeutet das, dass euch der Versicherer auch auf andere euren Tätigkeiten und Fähigkeiten ähnliche Arbeitsstellen verweisen kann, die ihr noch ausüben könntet. Es kommt nicht darauf an, ob es eine solche Tätigkeit auf dem konkreten Arbeitsmarkt überhaupt gibt sondern nur darauf, ob eine solche anderweitige Beschäftigung denkbar wäre. Da solch eine Versicherung mit „abstrakter Verweisung“ für Versicherungsnehmer hoch unattraktiv ist, ist diese Klausel mittlerweile aus vielen Policen verschwunden oder abgemildert.
Das Prinzip einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist also: Ihr zahlt einen monatlichen Beitrag, dessen Höhe von eurem Alter und der gewünschten Höhe der Berufsunfähigkeitsrente abhängt und erhaltet dafür im Schadensfall – also für den Fall, dass ihr zu mehr als 50% berufsunfähig werdet – die BU- Rente in der vereinbarten Höhe. Die Höhe sollte so gewählt werden, dass ihr damit über die Runden kommt. Mindestens 70% des bisherigen Nettoeinkommens sollten durch die BU- Rente abgedeckt sein.
Berufsunfähigkeitsversicherung – vorvertragliche Anzeigepflicht
Natürlich will die Versicherung vor einem Versicherungsabschluss wissen, welches Risiko sie mit euch eingeht. Seid ihr Ende Zwanzig und fit wie ein Turnschuh oder habt ihr schon zwei Herzinfarkte hinter euch und wollt euch mit dem Versicherungsabschluss noch gerade so in die Berufsunfähigkeit retten? Entsprechend umfangreich sind die Bögen mit Fragen zu eurem Gesundheitszustand. Üblich sind dabei folgende Fragen und Fristen:
- Stationäre Behandlungen der letzten zehn Jahre müssen angegeben werden
- Ambulante Behandlungen (Arztbesuche) der letzten fünf Jahre sind anzugeben
- Orthopädische Behandlungen (Erkrankungen des Bewegungsapparates) der letzten fünf Jahre sind anzugeben
- Psychische Behandlungen (Psychotherapie etc.) werden ebenfalls abgefragt
- Je nach Alter und Versicherungssumme verlangt die Versicherung oft auch eine ärztliche Eingangsuntersuchung
Versicherungsvertreter versuchen gerne, die Relevanz dieser Angaben ein bisschen herunterzuspielen. Doch muss euch klar sein, dass ihr bei euren Gesundheitsangaben die Munition für eine spätere Ablehnung eures Antrags auf Berufsunfähigkeitsrente liefert – und zwar nicht wegen zu vieler Angaben sondern weil ihr bei der Beantragung vielleicht absichtlich oder unabsichtlich irgendeinen Arztbesuch vergessen habt.
30% der Anträge auf eine BU- Rente werden nach Angaben des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft abgelehnt. Ein nicht unerheblicher Teil davon geht auf das Konto „Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten“. Bedenkt: Für die Versicherung ist ein lax ausgefüllter Gesundheitsbogen ein Traum. Sie kassieren möglicherweise jahrelang Beiträge und können sich dann im Schadensfall darauf berufen, dass ihr zu Vertragsbeginn falsche Angaben gemacht habt. Es ist daher ABSOLUT WICHTIG, dass ihr diese Angaben sehr sorgfältig macht. Am besten geht ihr zu euren Ärzten und lasst euch die Diagnosen aushändigen. Manchmal geben Ärzte auch eine etwas andere Diagnose für die Abrechnung mit der Krankenkasse an, als sie euch erklärt wurden.
Viele Menschen neigen dazu, bei solchen Gesundheitsfragen nicht allzu offen zu agieren – nur um in die Versicherung aufgenommen zu werden. Doch was hilft euch eine Versicherungspolice, von der ihr schon beim Abschluss wisst, dass ihr niemals Leistungen daraus bewilligt bekommen werdet, weil ihr unvollständige oder gar falsche Angaben gemacht habt.
Berufsunfähig – welcher Beruf?
Genau so wichtig wie ehrliche und vollständige Gesundheitsangaben ist eine möglichst exakte Bezeichnung eurer Tätigkeit. Viele Versicherer arbeiten mit einem Auswahlmenu, bei dem man sich irgendeinen Beruf aussuchen muss, der dem eigenen am nächsten kommt. Das ist natürlich suboptimal.
Nehmen wir den ehrbaren Beruf des Onlinehändlers. Bei meinen Recherchen habe ich „Onlinehandel“als Beruf nur einmal gefunden. Meist musste ich zur weiteren Berechnung irgendwas auswählen, was so ähnlich klingt, z.B. Onlinemarketing- Manager. Nun mögen zwar beide ihr Geld irgendwie online verdienen, aber hier geht es ja darum, welche Tätigkeit genau versichert werden soll. Ein Onlinehändler muss im Lager auch mal einen Karton mit Ware von A nach B tragen und Pakete mit dem Auto zur Post bringen, weil die Abholung mal wieder nicht funktioniert hat. Diesen Risiken ist ein Onlinemarketing Manager dagegen wahrscheinlich nicht ausgesetzt. Bei der Frage, ob ihr zu mehr als 50% berufsunfähig seid, kommt es aber genau auf die exakte Tätigkeit an und deshalb muss bei Vertragsabschluss auch die exakte Tätigkeit aufgenommen und beschrieben werden.
Noch mal: Es ist euer ureigenes Interesse, solche Definitionen nicht auf den Tag zu verschieben, wenn der Baum brennt. Selbst wenn ihr heute vielleicht ein reiner FBA- Händler seid, der seine eigene Ware nie zu Gesicht bekommt – geschweige denn, sie in schweren Kartons hin und herzuschleppen – wisst ihr ja nicht, ob das in zehn Jahren immer noch so ist.
Natürlich besteht die Gefahr, dass die Versicherung so viel Präzision mit einer Anhebung der Beträge kontert. Doch besser ihr zahlt zehn Jahre etwas höhere Beiträge, könnt euch dafür aber darauf verlassen, dass ihr im Ernstfall auch eine Rente bekommt, als jeden Monat zehn Euro zu sparen, aber später einen Ablehnungsbescheid zu bekommen, weil Lagerarbeit ja gar keine versicherte Tätigkeit gewesen ist.
Fallstrick für Selbstständige – Die Umorganisationsklausel
Selbstständige können ihren Arbeitsbereich ein Stück weit selbst organisieren und damit auch ändern. Sie können z.B. im Falle einer eintretenden Berufsunfähigkeit den Betrieb vielleicht so umorganisieren, dass sie nicht mehr über 50% berufsunfähig sind sondern vielleicht nur noch zu 45%. Dies machen sich einige Versicherungen zunutze, indem sie eine so genannte Umorganisationsklausel in die Versicherungspolice einarbeiten.
Konkret bedeutet dass, das die Versicherung nicht leistet, wenn mit einem wirtschaftlich zumutbaren Aufwand Arbeitsabläufe so umorganisiert werden können (z.B. durch Einstellung eines Mitabeiters), dass ihr den Beruf weiter ausüben könnt. Eine solche Klausel kann die Wahrscheinlichkeit, dass ihr jemals eine Rente beanspruchen könnt, auf Null senken, denn natürlich ist jeder Mensch irgendwie ersetzbar. Es kommt daher sehr auf die Frage an, wie absolut eine solche Klausel formuliert ist und ob sie z.B. Kleinbetriebe mit weniger als fünf Mitarbeitern generell ausnimmt oder ob sie die Zumutbarkeit des Zusatzaufwands in finanzieller Hinsicht deckelt. In der Praxis ist eine Umorganisation bei einem Solo- Selbstständigen fast nie möglich.
Berufsunfähigkeitsversicherung – wann zahlt sie?
Um Leistungen aus einer BU Versicherung geltend machen zu können, muss eine Ursache vorliegen. Ursache kann ein Unfall oder eine Krankheit sein, aber auch schleichender Verfall der Leistungsfähigkeit. Die häufigsten Ursachen, die zu einer Berufsunfähigkeit führen sind:
- Psychische Erkrankungen (31%)
- Gelenke/Skeletterkrankungen (21%)
- Krebs (14%)
- Unfall (10%)
- Herz/Kreislauferkrankungen (8%)
- Sonstiges (16%)
Doch Krankheit oder Unfall allein reichen natürlich nicht für die Zahlung einer BU Rente aus. Vielmehr muss ärztlich festgestellt werden (idealerweise von einem Facharzt), dass euer Leiden euch für mindestens sechs Monate an der Ausübung eures Berufs hindern. Dabei muss euer Leiden euch so einschränken, dass ihr nur noch weniger als 50% eurer bisherigen Tätigkeit verrichten könnt. Dies kann bezogen auf die wöchentliche Arbeitszeit oder auf die konkreten Teiltätigkeiten sein. Je nach Art der Krankheit oder des Leidens kann das eindeutig oder eben noch begründungsbedürftig sein.
Wichtig: Ihr als Versicherungsnehmer müsst die entsprechenden Nachweise liefern. Ihr müsst also ärztliche Atteste über eure Krankheit, den Grad der Einschränkungen gemessen an euren Tätigkeiten und die voraussichtliche Mindestdauer der Berufsunfähigkeit bei der Versicherung einreichen. In vielen Fällen wie einer Krebserkrankung, schwerem Unfall mit langem Krankenhausaufenthalt und anschließender Reha etc. ist das Erreichen der Schwellenwerte unstrittig, aber wie sieht es denn bei einem Burnout aus?
Wie oben schon erwähnt, sind psychische Erkrankungen mit fast einem Drittel die häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit, wobei die Evidenz einer psychischen Erkrankungen meistens nicht so groß ist wie bei einem gebrochenen Bein. Streit über das Bestehen einer Einschränkung und deren Umfang sind da vorprogrammiert, denn schließlich geht es für beide Seiten um sehr viel Geld.
Bei dem Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ist also höchste Sorgfalt gefragt; ggf. auch schon unter Einbeziehung eines spezialisierten Anwalts. Es ist wichtig, es der Versicherung schon im ersten Zug so schwer wie möglich zu machen, den Antrag abzulehnen.
Der Fairness halber muss dazu gesagt werden, dass wenn 30% der Anträge nicht anerkannt werden, bedeutet dass eben auch, dass 70% der Fälle mit Auszahlung einer BU- Rente enden. Es muss einfach jedem, der eine private Versicherung abschließt, klar sein, dass es sich nicht um eine gemeinnützige Stifung handelt sondern um ein profitorientiertes Wirtschaftsunternehmen, das unnötige Ausgaben vermeiden muss. Bei einer Rente in vierstelliger Höhe, die möglicherweise auch über Jahre gezahlt werden muss, ist anders als bei einem Haftpflichtschaden von ein paar Hundert Euro auch keine Kulanz zu erwarten.
Auch darf man sich als „Risikopatient“ keine falschen Hoffnungen darüber machen, ob man überhaupt eine BU- Versicherung zu akzeptablen Bedingungen angeboten bekommt. Wer deutlich über 40 ist und womöglich schon mal einen Herzinfarkt, einen Bandscheibenvorfall oder sonst eine garstige Erkrankung hatte, ist nicht unbedingt der Traumkunde für eine Versicherung. Die Kalkulation der Versicherungskonzerne basiert ja auf einem Modell, bei dem junge Versicherungsnehmer viele Jahre zahlen und idealerweise nie Leistungen in Anspruch nehmen müssen. Bei wem dagegen die Gefahr besteht, dass er oder sie schon nach ein paar Jahren Beitragszahlung ein Leistungsfall wird, wird die Versicherung entweder einen deutlichen Risikozuschlag verlangen oder die Aufnahme gänzlich verweigern.
Bei meinen Recherchen habe ich den Eindruck bekommen, dass die Konditionen der CosmosDirect gerade für junge Selbstständige interessant sein können.
BU-Versicherung Cosmos Direct*
Für Leute, die zu alt oder zu krank für eine Berufsunfähigkeitsversicherung sind, kann eine alternative Basis- Absicherung sinnvoll sein, wie ich sie im Artikel (Selbstständig – Diese 3 Versicherungen solltet ihr haben) vorgestellt habe.
Berufsunfähigkeit bei Selbstständigen – Fazit
So wichtig, wie eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeit ist, so schwer ist es gerade im fortgeschrittenen Alter oder mit Vorerkrankungen eine adäquate Versicherung zu finden. Ich hoffe, ich konnte mit diesem Artikel ein bisschen dafür sensibilisieren, worauf es beim Abschluss einer solchen Versicherung ankommt.
Alles rund um Ebay und Amazon könnt ihr in meinem Buch „Erfolgreich verkaufen auf Ebay, Amazon & Co“ nachlesen, das ich jedem Einsteiger gerne ans Herz legen möchte. Das Buch ist ein umfassender Ratgeber nicht nur für den Verkauf auf Amazon sondern für den Einstieg ins Online- Business. Von Gewerbeanmeldung, Förderungsmöglichkeiten und Steuerfragen über Wareneinkauf, Verpackungs-, Versand- und Payment- Lösungen bis hin zu Marketing, Suchmaschinenoptimierung und abgerundet mit jeder Menge rechtlicher Tipps zu Verbraucherschutz, Handels- und Markenrecht ist dies der ultimative Reader für Einsteiger und Fortgeschrittene in der Welt von Ebay & Amazon.