Im Falle von Verstößen gegen die eigenen Marktplatz- Richtlinien behält sich Amazon das Recht vor, Verkäuferkonten zu sperren. Dabei sind die Begründungen meist vage und oft nicht nachvollziehbar. Immer mehr Verkäufer gehen deshalb gerichtlich gegen Amazon Kontensperrungen vor – und gewinnen.
Amazon Kontensperrungen oft aus heiterem Himmel
Viele Onlinehändler sind ihr ihrer Existenz bedroht, wenn sie morgens aufwachen und feststellen, dass ihre Artikel bei Amazon gelöscht wurden und das Verkäuferkonto deaktiviert ist. Schlimmer noch: Amazon friert in solchen Fällen auch das bestehende Guthaben ein. Was Grundlage für die Amazon Kontensperrungen ist, bleibt oft vollkommen unklar und Informationen zu bekommen oder mit einem Verantwortlichen zu sprechen, ist unmöglich.
Wie viele der Amazon Marktplatzhändler diesen Alptraum pro Jahr erleben, ist unklar – Statistiken oder Mitteilungen von Amazon gibt es dazu nicht. Dass es sich aber nicht nur um Einzelfälle handelt, belegen die Gerichtsverfahren, die der Händlerbund in Zusammenarbeit mit seiner Partnerkanzlei ITB Rechtsanwaltsgesellschaft wegen der Amazon Kontensperrungen führt (siehe dazu auch Amazon sperrt Händlerkonten – Erste Urteile).
Gründe für Amazon Kontensperrungen
Die Verfahren scheinen zu belegen, dass es sich lohnt, sich gegen Kontenschließungen, die gar nicht oder nicht ausreichend begründet werden, zu wehren. Kontensperrungen stehen oftmals in Zusammenhang mit (verbotenen) multiplen Händleraccounts, Verstößen gegen Urheber- oder Markenrechte oder der Manipulation von Produktrezensionen. Während Amazon als „Hausherr“ natürlich das Recht hat, seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Richtlinien auch mit Kündigungen durchzusetzen, ist das Problem oft die fehlende Begründung oder Nachvollziehbarkeit. Auf welchen konkreten Fakten oder Verdachtsmomenten eine Kontensperrung bei Amazon beruht, wird in der Regel nicht ausreichend dargelegt.
Missbraucht Amazon seine marktbeherrschende Stellung?
Zudem – und das macht den Fall Amazon so besonders – handelt es sich nicht um irgendeinen Marktplatz, dem man als Händler einfach ausweichen könnte, indem man auf einem anderen Marktplatz verkauft. Amazon.de hat eine klar marktbeherrschende Stellung im deutschen Onlinehandel, was in den vergangenen Jahren auch bereits das Bundeskartellamt auf den Plan gerufen hat. Dieses hatte Amazon bereits 2019 abgerungen, dass eine ordentliche Kündigung nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 30 Tagen ausgesprochen werden dürfe und dass außerordentliche (also fristlose) Kündigungen nicht nur begründet sondern diese Begründungen auch belegt werden müssen.
Ein weiteres pikantes Detail ist die Doppelrolle von Amazon als Marktplatzbetreiber einerseits und Handels- Konkurrent andererseits, denn Amazon stellt nicht nur die Plattform und Servicedienstleistungen wie das Fulfillment bereit sondern ist selbst auch aktiver Händler. In einer solchen Konstellation ist es zumindest nicht ganz auszuschließen, dass Amazon Kontensperrungen auch wettbewerbsrechtlich zu beanstanden sind.
In seinem Beschluss vom 01.09.2020, Aktenzeichen: 1 HK O 11278/20 hat das Landgericht München 1 daher zugunsten eines Amazon- Händlers geurteilt und die Aufhebung der Kontensperrung angeordnet. Ohne nachvollziehbare Begründung der Sperrung sei diese eine gezielte Behinderung des Wettbewerbs. Der Händlerbund berichtet auf seiner Webseite über eine ganze Reihe weiterer Urteile in ähnlich gelagerten Fällen, die zugunsten der betroffenen Händler ausgegangen waren.
Ein weiteres Urteil des Landgericht München 1 (Az: 31 O 17559/19) befasst sich explizit mit dem Vorgehen Amazons, bei einer Kontosperrung das vorhandene Guthaben des Verkäufers einfach einzufrieren. In dem Fall hatte ein Händler Software auf Amazon verkauft und war wegen des Vorwurs der Fälschung gesperrt worden. Zugleich wurden rund 22.000 Euro Händlerguthaben einbehalten. Zu Unrecht, wie das Landgericht München festhielt, denn Amazon hätte für den Verkauf der mutmaßlich gefälschten Waren gar nicht in Haftung genommen werden können.
Amazon Kontensperrungen – P2B Verordnung soll Transparenz schaffen
Auf europäischer Ebene versucht die EU mit der neuen Platform to Business- Verordnung (kurz P2B) die marktbeherrschenden Plattformen zu mehr Transparenz zu zwingen. In der Verordnung werden grundlegende „Spielregeln“ im Verhältnis von Plattformanbietern und Marktplatzhändlern geregelt.
So muss eine Plattform Gründe für eine Kontensperrung offenlegen und nachvollziehbar machen. Die Verordnung sieht auch die Möglichkeit eines Beschwerdeverfahrens für den Händler vor. Hier fehlt es aktuell aber noch an konkreter Ausgestaltung eines solchen Beschwerderechts. Im Ergebnis soll der Marktplatz verpflichtet sein, bei einem erfolgreichen Beschwerdeverfahren das Konto des gesperrten Händlers vollständig wiederherzustellen.
Transparenz wird den Plattformen durch die Verordnung auch bei den so genannten Rankingfaktoren auferlegt. Für Händler soll so verständlicher werden, wie die Algorithmen von Marktplatzbetreibern funktionieren und was man tun muss, um sein eigenes Ranking zu verbessern.
Amazon Kontensperrungen vor Gericht – Fazit
Es scheint sich etwas zu tun in der Rechtsprechung zu Amazon Kontensperrungen und die letzten Urteile sind für Händler durchaus ermutigend, sich gegen Sperrungen zur Wehr zu setzen, wenn sie nicht oder nicht ausreichend begründet sind.
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